american pie
: Leben im Schatten

Die Major League Soccer ist zehn Jahre alt geworden. An ihren Problemen hat dies nichts geändert

Er hatte in der ganzen Saison nur ein einziges Mal getroffen – vom Elfmeterpunkt, doch das hielt Guillermo Ramirez nicht davon ab, im Finale um die Meisterschaft in der Major League Soccer (MLS) zum Helden zu werden. Dieses entschied der kleine Mann aus Guatemala nämlich durch einen Treffer in der zweiten Hälfte der Verlängerung. Das 1:0 gegen die New England Revolution bescherte seinem Club, der Los Angeles Galaxy, die zweite Meisterschaft in der MLS nach 2002. Die kleine Wundergeschichte vom o-beinigen Mittelamerikaner, der vor dem Finale in dieser Saison 65-mal aufs gegnerische Tor geschossen und dabei nur einmal getroffen hatte, dürfte allerdings die wenigsten Amerikaner erreicht haben.

Die Fußballliga in den USA wird immer noch recht klein und ganz weit hinten in den Sportgazetten abgehandelt. 21.193 Zuschauer waren zum Finale in San Francisco erschienen – sicher auch kein überragender Wert. Und trotzdem gibt es immer noch Fußballnarren in den USA, die fest daran glauben, dass sich Soccer eines Tages mit den großen Profisportarten wie Foot- und Basketball auf Augenhöhe befinden wird. Zehn Jahre ist sie nun alt, die MLS, zehn Jahre, in der sie sich nicht wirklich weiterentwickelt hat. Den höchsten Zuschauerschnitt verzeichneten sie Statistiker im ersten Ligajahr (17.406), in der abgelaufenen Saison lag er bei etwas über 15.000. MLS-Präsident Don Garber wundert sich nicht über den mangelnden Zuspruch. „Wir dürfen nicht vergessen, dass wir uns mit einem Alter von zehn Jahren erst in der ersten Generation befinden. Also erst auf dem halben Weg zu dem Punkt, wo sich Vater und Sohn die Erfahrung eines gemeinsamen Stadionbesuchs teilen“, sagt er.

Selbst diejenigen, die an eine große Zukunft des Soccers glauben, haben sich mittlerweile darauf eingestellt, dass es noch lange dauern wird, bis der Fußball das erreicht, was sich die Manager der MLS wünschen: volle Stadien, mehr Clubs und vor allem mehr Sendezeit in den großen TV-Kanälen. Immerhin sehen sich die Soccer-Gläubigen mittlerweile auf Augenhöhe mit der Eishockeyprofiliga NHL. Die hat sich zum einen durch den Ausfall einer ganzen Saison wegen Gehaltsstreitigkeiten selbst in die Bredouille gebracht, zum anderen hat sie ein ähnliches Problem wie der Fußball. „Wir haben einen fanatischen Stamm von Fans, aber einen größeren Zuschauerkreis anzusprechen ist unheimlich schwer“, so Doug Logan, der ehemalige Liga-Chef.

Dass man einen eingefleischten Baseballanhänger zum Fußballfan umschulen kann, das glaubt auch MLS-Präsident Garber nicht. Es gilt, den Nachwuchs zu begeistern, diejenigen, die jetzt um die zehn Jahre alt sind. Immer noch freuen sich die Soccer-Manager über Fußball spielende Kinder und Jugendliche. Doch auch darüber freuen sie sich nun schon seit Jahren. Merkwürdig hingegen ist, dass sich die jugendlichen Kicker nur in den seltensten Fällen zu Fans des Profifußballs entwickeln.

Das hat sich auch in den Marketingabteilungen der großen Sportartikelhersteller und -vermarkter herumgesprochen. Umso verwunderlicher war es, als die Liga zu Beginn der Saison verkündet hat, man habe mit Adidas einen Vertrag abgeschlossen, der der Liga in den nächsten zehn Jahren 150 Millionen Dollar einbringe. Zumindest in Europa scheint es immer noch Menschen zu geben, die sich vorstellen können, dass Fußball in den USA schon bald eine große Nummer werden könnte. Guillermo Ramirez dürften all diese grundsätzlichen Überlegungen egal sein. Er ist heilfroh sein, dass er nach einer miserablen Saison ausgerechnet im letzten Spiel überzeugen konnte. So ist Fußball eben. Ramirez weiß das. Die meisten US-Amerikaner wissen es nicht. ANDREAS RÜTTENAUER